Überfahrt nach Madeira

Am 15. September war es so weit. Um 12 Uhr legten wir in Oeiras, ein Hafen in der Nähe von Lissabon, ab mit Kurs Madeira:

  • 460 Seemeilen,

  • 850km,

  • 80 Stunden nonstop,

  • 4 Tage und 3 Nächte

Endlich war das Wetterfenster da und der Wind wehte konstant aus Norden, so dass wir raumschots auf Kurs 225°, so  ungefähr Südwest, losrauschen konnten.

Ein großer Schritt für uns als Familie. Ein sehr großer. Mit vielen Unsicherheiten, Ängsten und Vorbereitungen.

Insbesondere Julia und ich mussten die richtige Balance finden zwischen LOSKOMMEN und OPTIMAL VORBEREITET sein. Da wir beide solch eine lange Passage noch nie gemacht hatten, war das schwierig.

 

 

Die klassischen Vorbereitungen wie ein Essensplan, die administrative Anmeldung bei den Behörden auf Madeira, der Wettercheck waren zügig erledigt. Auch hatten wir extra vorher noch ein Satellitentelefon gekauft um auf dem großen weiten Meer Kommunikationsmöglichkeiten zu haben. Die Funkreichweite beträgt ca. 15 Seemeilen und da bist du schnell einsam, da draußen.

Was uns vor große Herausforderungen stellte waren Fragen, die Notsituationen betreffen: Wasser im Schiff, Mann über Bord, Ausfall der Elektrik, Ausfall der Navigationselektronik, Ausfall des Autopiloten. Wieviel Plan, wieviel Vorbereitung brauchst Du für diese Notfälle? Und wie wenig Vorbereitung kannst Du aushalten?

Hier mussten wir beide einen gemeinsamen Weg finden.

 

Zwei wichtige Sicherheitsbausteine sind die MOB1 für Julia und mich und demnächst für die beiden großen Kinder auch. Diese kleinen Sender werden in die Schwimmweste integriert und senden ein GPS Signal im Falle des Überbordgehens, welches auf allen Plottern von Schiffen, die sich in der Nähe befinden, angezeigt wird.

Der zweite Sicherheitsbaustein sind verbindliche Regeln:

  • Draußen wird IMMER eine Schwimmweste getragen

  • Beim Verlassen des Cockpits wird sich eingeklickt per Sicherheitsleine, so dass die Personen permanent mit dem Schiff verbunden ist

  • Das Cockpit wird nur verlassen, wenn der zweite Erwachsene mit im Cockpit ist

  • Geschlafen wird im Cockpit in Schwimmweste UND eingeklickt.

 

So fassten wir den Mut und legten ab.

Wie wir im Nachhinein erfuhren legten an diesem Donnerstag 26 Schiffe vom europäischen Festland nach Madeira ab. Das sind richtig viele.

Wir hatten uns eine kleine Flottille gebaucht mit weiteren fünf Schiffen aus unserem Hafen, mit denen wir während die Überfahrt sowohl regelmäßigen Funkkontakt hatten als mit Textnachrichten über das Satellitentelefon in Verbindung waren. Das war ein schönes Gefühl in Sichtweite andere Schiffe zu sehen. Insbesondere nachts im Mondschein ein kleine grünes Licht in weiter Ferne auf der einen Seite und ein kleines rotes Licht auf der anderen Seite zu sehen, tat gut. So wussten wir, dass wir nicht alleine waren da draußen.

 

Die ersten 24 Stunden waren wir alle guter Dinge und abends gab es die vorgekochte Bolognese. Marla schlief unten mit Julia und Ronja, Lotta und ich teilten uns die drei Cockpitbänke zum Schlafen. Die Nachtwache teilten uns Julia und ich und das ging erstaunlich gut.

Erst ab Tag 2 begannen unsere Probleme beginnend mit meiner Seekrankheit. Sie war lange ausgeblieben, konkret hatte ich seit LEINEN LOS keine gravierenden Probleme mehr gehabt. Doch nun schlug sie wieder zu. Spucken, Übelkeit, Energielosigkeit, Lethargie schlugen zu.

Leider traf es kurz darauf auch Ronja und Lotta, so dass wir drei im Cockpit eingeklinkt in Lee rumsaßen. Marla war topfit, wollte Spielen, unterhalten werden und forderte Aufmerksamkeit. Und an Julia blieb jetzt alles hängen: Bootsführung, Essen, Krankenschwester, Navigation, Kindergärtnerin …

 

Mit der Übelkeit kam auch die Einsamkeit auf dem großen Meer und Momente der Angst. Das alles war so. Wir mussten es akzeptieren, uns zusammenreißen, die Situation aushalten und weitermachen.

Gerade in dieser Situation war es gut mit anderen Booten in Kontakt zu sein, die Sorgen zu teilen und sich gegenseitig Mut zuzusprechen. Auch auf anderen Booten hatte an Tag 1 & 2 die Seekrankheit zugeschlagen.

 

Eine Welle der Erleichterung schwappte durchs Boot als am vierten Tag am frühen Nachmittag der Ruf "Land in Sicht" durch die Lady Blue hallte. Die Umrisse von Porto Santo waren am Horizont erschienen.

Nach kurzer Berechnung entschlossen wir uns zusätzliche die Maschine mitlaufen zu lassen, so dass wir anstatt 5 Knoten sechs Knoten Fahrt machten. So sollten wir im letzten Tageslicht ankommen.

Das war auch so und am 18. September um 20 Uhr fiel unser Anker im Hafenbecken von Porto Santo.

 

Erleichtert und müde fielen wir alle fünf in einen tiefen und erholsamen Nachtschlaf.

 

Wir hatten es geschafft. Unsere erste Atlantikpassage. Wir brauchten jetzt erstmal Zeit, das alles zu verarbeiten.

 

Doch die gab es leider nicht. Denn als wir am nächsten Morgen aufwachten, mussten wir zügig Anker auf gehen. Die Geschichte gibt’s im nächsten Blogbeitrag :-)

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Ankern in Porto Santo

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