Wie hält man DAS fest?
Es ist eine Weile her, seitdem wir berichtet haben. Und es ist nicht so, dass wir nicht berichten könnten. Die Frage ist viel mehr, wie kommen wir zum berichten? Wir sind so beschäftigt mit Alltagsdingen und gleichzeitig geflutet von Eindrücken, Erfahrungen, Bildern, Farben und Sprachen, dass wir gerade überhaupt nicht berichten. Einerseits ganz schön, denn wir sind sehr im Hin- und Jetzt. Alltagsdinge dauern sehr viel länger: zum Beispiel einkaufen mit 35l Rucksack und Wanderung inklusiv, oder Wäsche waschen bedeutet: die Wäsche in einen Waschsalon tragen, 1-2 Maschinen waschen, dann zurücktragen, dann auf dem Schiff Wäscheleinen bauen und die Wäsche aufhängen, möglichst so, dass sie innerhalb eines Tages trocknet und wieder verräumt werden kann. Oder auch nicht bei Regen oder Nebel. Regelmäßig müssen auch unsere Wassertanks mittels Wasserschlauch gefüllt werden, das dauert bei 500l ne ganze Weile. Es lohnt sich also sparsam zu spülen und zu duschen. Duschen heißt bei uns übrigens: morgens ins Wasser hüpfen, einmal ums Schiff schwimmen, Haare mit Salzwassershampoo auf der Badeplattform waschen, wieder ins Wasser hüpfen, Haare ausspülen und im Anschluss kurz mit Süßwasser an Bord abduschen. Entweder mit dem ans Wasserbordnetz angeschlossenen Gardenaduschkopf oder mit unserer Solardusche am Heck, die beim abendlichen Duschen sogar Warmwasser bietet. Auch sind wir täglich mehrfach am Aufräumen, da das die einzige Möglichkeit ist, die vielen Dinge auf so engem Raum wiederzufinden.
Nun gut, warum komme ich heute zum schreiben? Ich kann nicht mehr gehen. Nach zügiger Abklärung und Diagnosestellung in CUF Krankenhaus von Cascais war die Ursache gefunden. Ein Morton Neurinom unter der dritten Zehe schmerzt und zwingt mich zum Fuß hochlegen. Ja, dämlich. Es ist natürlich nicht die schlimmste aller Diagnosen auf so einer Reise, aber da doch Land &Leute erkunden einen Großteil unserer Reise ausmacht und auch sonst alles zu Fuß bewältigt werden muss (einkaufen, waschen, anmelden- abmelden), ist die Diagnose etwas einschränkend. Eine Operation kommt für mich im Moment nicht in Frage und so werde ich hoffentlich mit Vorfuß Tapen, Ibuprofen, und Cortison Infiltrationen zu Recht kommen.
Ja, und jetzt dachte ich, ich würde hier chronologisch berichten, Ort für Ort, oder die Highlights der Orte oder unserer Zusammentreffen, oder von unserem Schulalltag, aber ich weiß gar nicht wo anfangen. Von daher, gibt es jetzt ein paar Berichte querbeet.
Sicherheitstraining
Auf einer Yacht hat man für den Notfall aller Notfälle d.h. man muss das Schiff verlassen z.B. bei einem Brand immer eine Rettungsinsel mit an Bord. Diese Rettungsinsel ist streng TÜV geprüft und darf auch bei regelmäßiger Wartung nach 10-15 Jahren nicht mehr eingesetzt werden. Und so haben wir bei Schiffskauf auch eine niegelnagelneue Rettungsinsel gekauft. Wir hatten aber auch noch die Alte, stolze 21 Jahre alt, gut verpackt im Container. Und seitdem wir selbst in Bremerhaven über Sailpartner ein Safetytraining sondergleichen absolviert hatten, haben wir uns vorgenommen unsere alte Rettungsinsel mit den Kindern auszulösen. Es ist einfach spannend zu sehen, und die Dinge verlieren ihren Schrecken, wenn man sie sehen und ausprobieren kann. Natürlich wollen wir niemals auch nur eine Stunde in so einer Rettungsinsel ausharren müssen, aber für den Fall der Fälle wissen wir zumindest wie es ist in eine reinzuklettern. In der Ensenada de Barra gegenüber Isla Cies war es dann so weit. Viel Platz, kein Wind, keine Welle und die Crews der Bigbubble, Luna, Hetoki und Morian waren mit dabei und so machten wir unser eigenes Safety Training. Justus von der Hetoki ging mutig voran und demonstrierte uns das Aufblasen einer Automatikrettungsweste beim Sprung ins Wasser. Allegra erklärte auf Englisch den Mechanismus der Brausetablette, die sich bei Wasserkontakt auflöst und so die CO Flasche auslöst im Unterschied zu den Feststoffschwimmwesten. Die Kinder und Erwachsenen konnten sehen und spüren wie wichtig der Gurt zwischen den Beinen ist (damit man nicht durchrutscht), und alle konnten sehen wie man Luft ablassen und wieder hineinblasen kann. Natürlich gab es auch ein wenig Theorie, in Englisch und Deutsch. Das Spannenste war sicher das selbstständige Aufblasen der Rettungsinsel, nachdem sie im Wasser war und Ronja und Lotta an der Reißleine gezogen hatten. Ganz automatisch lernten auch alle, wie wichtig es ist, die Rettungsinsel vorher festzubinden. Und natürlich lernten wir auch den Inhalt einer solchen Rettungsinsel kennen, ein Messer zum Lösen der Verbindung zum brennenden oder untergehenden Schiff, eine Luftpumpe zum nachpumpen, eine Regenwasserauffangvorrichtung, Paddel, Medikamente.
Im echten Leben gibt es Rettungsinseln für die geplante Rettung innerhalb von 24 Stunden und außerhalb von 24 Stunden. Letztere ist mit hochkalorischer Nahrung und Trinkwasser ausgestattet. Danach gab es als kleine Sporteinheit „aus dem Wasser“ in die Rettungsinsel klettern und die Erwachsenen übten eine „verletzte“ Person in die Rettungsinsel zu bekommen. Gar nicht so einfach.
Es war für alle Kinder und Erwachsenen ein lehrreicher Vormittag, der auch sehr viel Spaß gemacht hat.
Kennenlernen des Petermännchen
Also echt, so ein netter Name für ein Fisch, und dann folgende Erkenntnis: Lotta war in der Ensenada da Francisco bei Muros mit ihrem Papa an den Strand geschwommen und beim aus dem Wasser waten in „etwas“ hineingetreten. So weit so gut. Sehr irritierend war, dass wir außer 2 roten Minipunkten am Zeh gar keine Verletzung sehen konnten, sie aber schmerzverzerrt wimmerte. Lotta ist an sich sehr tapfer. Sie hat schon Platzwunden und einen Armbruch gut überstanden, und so war relativ schnell klar: „da stimmt was nicht.“
Chris hat sie zügig zum Schiff zurück gebracht, denn sie konnte jetzt schon nicht mehr selbst schwimmen vor Schmerzen. Der Zeh war nun auch schon heiß, rot und geschwollen und Lotta hatte Schüttelfrost vor Schmerzen. Nach kurzer Recherche und Telefonat war klar, sie ist in ein Petermännchen getreten. Ein giftiger Fisch, der sich ausgerechnet im seichten Wasser im Sand vergräbt, so dass nur die Augen rausschauen. Und wenn man auf ihn tritt, stellt er die Stacheln auf mit denen er das Gift absondert.
Wir erfuhren also, dass jetzt nicht kühlen das Mittel der Wahl ist( könnte man ja meinen, bei einem roten heißen Zeh), sondern Hitze! Wir kochten also Wasser und tunkten Lottas Fuß unter. Sicherheitshalber hielt ich meine Hand mit rein, um den Fuß nicht aus Versehen zu verbrühen. Nach circa 7 Minuten im 50-60 Grad heißen Wasser ließen Lottas Schmerzen deutlich nach und der Spuk war vorbei. Zusätzlich oder sicherheitshalber gaben wir Lotta auch noch Antihistaminika.
Ja, so ein Schreck! Und dann hat der Fisch auch noch so ein netten Namen. Verrückt!
Mit der Hitze zerstört man übrigens die Proteine des Gifts und macht es somit unschädlich. Wir waren wohl schnell genug mit der Behandlung, denn nach einigen Stunden war Lotta wieder topfit.
Unser Tipp; wenn komische Dinge im Wasser oder am Strand passieren (Quallen, Fische….), fragt die Leute an Land (vor Ort). Die wissen häufig, was zu tun ist. Statt heißem Wasser, hätte man auch einen Föhn oder einen Moskitohitzestab verwenden können. Und falls nichts zur Hand sei, solle man auf dem heißen Sand gehen.
Porto
Unser erster großer Schlag ging von Baiona nach Porto. Abends kurz vor Sonnenuntergang sind wir abgelegt und zum Sonnenaufgang wieder in Porto angelegt. Spiegelglatt war der Atlantik, und überhaupt kein Wind. Der Atlantik glich einem See. Aber auch, wenn wir nicht segeln konnten, so wollten wir doch nochmal etwas Übung im Nachtfahren bekommen. Das AIS und Radar und die diversen Möglichkeiten Alarme einzustellen haben wir getestet. Nach und nach sind alle 3 Kinder selig eingeschlafen, Lotta und Marla mittschiffs im Salon und Ronja draußen angegurtet auf der Bank. Zwischen sterneklarer Himmel und Nebel war alles dabei, interessant waren auch die Begegbnungen mit Fischbooten, denen wir versuchten auszuweichen, deren Kurs oder Plan aber nicht immer ersichtlich war. Kurz vor Seixos wurde es dann tummelig, mehrere große Tanker vor Reede oder dabei den Hafen anzulaufen oder auszulaufen. Da es noch immer dunkel und recht neblig war, und wir im Hellen anlegen wollten, fuhren wir kurzerhand weiter nach Porto. Eine spannende Hafeneinfahrt mit vielen kleinen Fischerbooten in der Hafeneinfahrt und unsere erste Flußfahrt mit Tide überhaupt. Pünktlich zum Breakwater hatten wir weder Strömung noch Welle und konnten einfach anlegen, zum Bäcker gehen und erstmal frühstücken.
Porto hat uns sehr gut gefallen, eine sehr spannende bunte Stadt.