Warum wir freiwillig 146 Seemeilen gegen an kreuzten-

oder auch: unser Motor springt nicht mehr an

Von den Tobago Cays aus, segelten wir weiter -an Canuan vorbei- bis Bequia direkt in die Admirality Bay und hatten einen ausgesprochen schönen Segeltag mit viel Musik aus der Box.

In der Bucht angekommen, fing dann das Suchen nach einem Ankerplatz an, was sich als ausgesprochen schwierig herausstellte, da in der Bucht Sand auf Fels liegt. Eine Bedingung bei der selbst unser Rocna 33kg Schwierigkeiten hat sich einzugraben. Außerdem folgen auf die 2m Wassertiefe in Strandnähe, plötzlich 5m, dann 12m und dann 40m- regelrechte Abbruchkanten. Außerdem natürlich viele Schiffe, und davon einige vor Anker und einige an der Mooring. Das ist wichtig zu beachten, denn der Schwojenkreis der Ankerer ist deutlich größer, als derer, die an der Mooring liegen.

Nach 5 oder auch 7 Versuchen- wir haben irgendwann aufgehört zu zählen- wollten wir schon fast an eine Mooring gehen, und da hielt er dann doch. Wir testen immer mit 2000 Umdrehungen Rückwärtsfahrt, stehender Peilung und markieren auf dem Plotter mit dem ManoverBoard Button einige Markierungen, so dass wir später (bei Winddrehung) überprüfen können, ob der Anker hält.

Nun gut, der Anker hielt und so machte ich den den Motor aus.

Wenig später- ich  hatte vergessen die Betriebsstunden abzuschreiben- wollte ich ihn nochmal anmachen- Silencio! Komisch, warum sind denn jetzt die Batterien alle? Aber nein, diese waren voll mit 12,7 Volt.

Beide, die Starterbatterie und unsere Servicebatterien waren voll.

Also nochmal probieren, jetzt hörte sich der Anlasser gut an, aber der Motor sprang nicht an, er versuchte es nicht mal. Das hatten wir noch nie!

Da wir schon völlig genervt und hungrig waren, und wir an den Tagen zuvor , keinerlei Veränderungen am Motor beobachtet hatten- er war nicht heiß gelaufen, es war immer brav Seewasser rausgekommen, unauffälliger Auspuffluft, keinerlei Geräusche; Öl und Kühlwasser hatte ich vor der Abfahrt gecheckt, sind wir erstmal von Bord- Pizza essen. Erstmal Kraft tanken!

Aber leider leider, verhielt sich auch im Anschluss und auch am nächsten morgen unser Motor nicht anders – also: Dieselvorfilter tauschen, Diesefilter tauschen, entlüften, mittels Kanister 30l  Diesel mehr in den Tank füllen (war die Anzeige und unser Berechnen etwas falsch?) – aber Fehlanzeige- der Tank war ausreichend gefüllt, der Anlasser einwandfrei, aber eben kein zünden. Der erste Mechaniker Shean kam an Bord- arbeitete 2 Stunden und kam zu dem Entschluss, dass wir alles nochmal testen müssten mit einem extern angeschlossenen Dieseltank- eventuell war der Diesel verunreinigt? Oder gar die Dieselpest? Gesagt getan, Mechaniker Nr.2 Kerry kam an Bord, arbeitete wiederum 3h Stunden  mit externen Tank- keine Änderung. Es gelang ihm mit einem mit Benzin getränktem Lappen im Ansaugstuten den Motor zu starten. Aber eben nur wenige Sekunden lang. Zumindest erfuhren wir nun: die Zündkerzen seien in Ordnung und überall komme Diesel. Also stand der nächste Schritt an, der Motor wurde zerlegt: die vier Einspritzdüsen überpüft und in der Tat, da kam sehr wenig Diesel an- ergo war das Ergebnis von Kerry: die Dieseleinspritzpumpe müsse defekt sein! Ähh, echt jetzt? Der Motor hat 900 Betriebsstunden, wir hatten keinerlei Veränderungen zuvor beobachtet, die Zahl der Umdrehungen immer stabil, , er war bisher immer einwandfrei angesprungen?? So richtig glauben, konnte wir es nicht, aber gut.

Unsere  zwischenzeitlich durchgeführte Recherche hatte ergeben, dass die von uns benötigte Dieseleinspritzpumpe gar nicht mehr produziert würde. Es gäbe also nur die Möglichkeit einer neuen Gebrauchten oder eben Ausbau- Reparatur- Einbau……da wir weiterhin eher von einem elektrischen Problem ausgingen- plötzliches Problem, keinerlei Problem zuvor, rätselten wir weiter und konnten mit Jake (Mechaniker der Superyacht Celtic Spirit), Herco von der Morgane of Sark, und Hans von Pacific Blue (Ingenieur), Hilfe aus der Schweiz von Marc und Marie (dort hatten wir im Sommer einen Motorkurs belegt)und der Familie in der Heimat weiter rätseln.

Mutig gingen wir einen Schritt weiter, kauften einen 24er Spanner und bauten auch noch das stop solenoid aus, in der Hoffnung, dass dieses kaputt sei. Unterstützung hatten wir dabei von Vidar von der SY Nenya. Aber nein, es funktioniert einwandfrei.

Zwischenzeitlich waren wir auch schon im Kontakt mit dem Volvo Penta Mechaniker auf Grenada und dem Volvo Penta Händler in Miami und dem Volvo Penta Mechaniker auf Martinique- Ergebnis: die Pumpe muss raus und überprüft werden. Das geht aber nur in einer Werkstatt mit den richtigen Werkzeugen – und eben nicht auf Bequia, wo wir waren.

Es gab für uns am Ende also nur zwei Möglichkeiten: A) Ausbau der Pumpe von Kerry auf Bequia, einer von uns Erwachsenen fliegt mit der Pumpe nach Miami, Reparatur vor Ort, ca. 5 Tage; Kosten also Mindestens: 900 Euro für den Flug, + Hotelkosten, + der andere Erwachsene bleibt mindestens eine Woche mit den 3 Kindern vor Anker – OHNE Motor.

Vor Anker – ohne Motor- geht natürlich, aber es gibt entspannteres. Außerdem haben wir auch keinen Generator d.h. wir laden unsere Batterien derzeit nur mit unseren Solarpaneelen, welche einwandfrei arbeiten und völlig ausreichend Strom produzieren- aber es darf halt nicht bewölkt sein!

B) Variante B hieß: wir segeln nach Martinique, und lassen die Reparatur vor Ort vornehmen. Hhhm, 100 Seemeilen Vogelflug- vermutlich hart am Wind- da die vorrangige Windrichtung eben NNO ist.

Sagen wir mal so, das geht, aber es gibt entspannteres.

Dazu kommt auch noch Anker auf unter Segeln d.h. Kette+ Anker manuell hochholen und auf Martinique Anker ab unter Segeln- Voraussetzung hierfür: Wind, starke Oberarme und gute Nerven

 

Nach reichlicher Überlegung, Recherche von Schutzbuchten, Anfrage von Freunden uns zu helfen aus dem Ankerfeld zu kommen ohne andere Schiffe zu beschädigen, war es also soweit: die Entscheidung war auf B gefallen.

Jetzt hieß es: vorbereiten: vorkochen, Schleppleine aus den Tiefen suchen, Riggcheck durchführen- ----und da kam auch schon das nächste BÄMM!- an der Unterwant auf Steuerbord war doch tatsächlich ein Draht gebrochen. Oh man, auch das noch, und natürlich in Luv. Wir bauten also ein Sicherung für die Unterwant mit einem zusätzlich Fall, so dass im Fall eines volllständigen Wantbruches das Fall schon an Ort und Stelle war (wollten wir doch sicher nicht draußen auf See auf den Mast klettern müssen).

 Ja, die Erwartungen für diesen Trip waren recht niedrig- unser Gefühl glich eher einem: Gut, dass geht jetzt eben nicht anders.

Aber dann fügte sich alles prima, wir hatten ein gutes Wetterfenster mit deutlich weniger Wind als die vorangegangen Tage, David , ein junger Franzose heuerte zufällig an mit nach Martinique zu segeln und so brachen wir auf.

Mit Hilfe von Andy und Antonia von der Lust4Life kamen wir gut aus dem Ankerfeld und segelten zunächst am Wind nach St. Vincent. Im Lee der Insel wartete die bekannte Flaute und so mussten wir noch etwas mehr Abstand halten. Komischerweise hatten wir vorübergehend auch Wind von West. Irgendetwas Lokales hatte sich hier zusammengebraut, aber eben Hauptsache Wind! Richtung St. Lucia wurde der Wind dann immer nördlicher, so dass wir uns immer weiter vom Ziel entfernten. Allerdings fanden wir auch eine ruhige See vor, was für die Nacht recht angenehm war. Aber spätestens jetzt war klar, dass wird ein „gegenankreuzen“ Ritt.

Auf dem Radar entdeckten wir einige Squalls, denen wir galant aus dem Weg gingen. Dank unserer Solarpaneele waren die Batterien voll und wir konnten sowohl Autopilot als auch Radar die ganze Nacht durchlaufen lassen. Am nächsten Morgen ging das Wenden weiter und wir realisierten kurz unterhalb Martinique, dass wir fast 2 Knoten Strömung gegen an hatten + Wind gegen an+ Welle gegen an…ergo war unser Plan nach St. Anne zu segeln nicht möglich. Stattdessen segelten wir in die Bucht von Anse d‘ Arlets, ankerten nach der zweiten Wende und aßen lecker am Strand zu Abend. Davide wurde von seinem Freund abgeholt und wir waren also angekommen- auf Martinique- wieder Europa!

Gefragt haben wir wirklich nicht nach dieser Art von Abenteuer, segeln ohne Motor, dann auch noch gegen an, mit drei Kindern…..aber hey, man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben. Und Dank Davide lernten unsere Mädels ihre ersten Französischsätze, kam unsere Angel zum Einsatz, begutachteten wir den 2021 ausgebrochenen Vulkan von St. Vincent, und sahen einen Wal. Zumindest seine Fontäne. Und ich konnte einen Blick auf den Buckel und seine Schwanzflosse erwischen. Sehr beeindruckend!

Die Mädels lernten wieder viel über Physik: Aber wir sind doch schon so nah an Martinique? Wieso schaffen wir das nicht mehr? Können wir da nicht hinsegeln? Nee, leider nicht, genau von da kommt der Wind.

Und wir lernten wieder mehr über uns und unsere Ungeduld. Denn ohne Motor geht es eben nur mit dem Wind (nicht gegen ihn).

Und spannenderweise hatten wir einen unserer schönsten Segeltage! Wer hätte das gedacht!

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Tintenfisch zum Frühstück

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Wieder unterwegs