Veränderungen

Freitag, der 20. August. Die Dinge verändern sich. Langsam und doch stetig fangen wir an zu verstehen, dass wir gar nicht im Urlaub sind. Denn wir fahren nicht zurück.

Die Schule hat in NRW wieder angefangen – wir sind immer noch auf dem Boot.
Unsere Mieter sind in unser Haus eingezogen – wir können nicht zurück.

Die letzten Wochen waren geprägt vom Urlaubsgefühl mit viel Strand, viel Eis, wenig Etappen und wenn dann lieber Kurze. So wollten wir es. Es war uns wichtig langsam anzufangen dieses Jahr. Erstmal auf unserer LADY BLUE anzukommen, mit dem Leben auf dem Schiff anfangen, uns wieder ans Schaukeln vor Anker gewöhnen. An die morgendliche Stille in den Ankerbuchten und das Baden und Schwimmen im Atlantik. Meist so zwischen 17° und 19°C. Ein Sommerurlaub auf dem Schiff hätte sich nicht so viel anders angefühlt.

Und jetzt hat diese Woche die Schule wieder angefangen. Lotta hatte schon ein Zoom Meeting mit Ihrer Klasse und Ronja war im Austausch mit ihren Freundinnen über die neue Sitzordnung und neue Lehrer. Beide Kinder wollen jetzt auch hier mit der „Schule“ anfangen. Nächste Woche geht’s also los. Mit 1h / Tag Mathe, Deutsch und Englisch.

Doch was hat das alles mit gestern zu tun?

Gestern war morgens früh der besagte Zoom Call und dann wurden Stundenpläne und die Schulbücher und -hefte aus den Tiefen des Schiffes gekramt.

Da wir jedoch am Vortag noch spontan eine Ankererlaubnis für das Naturschutzgebiet Isla Cies erhalten hatten und dort auch vor Anker lagen und die Touristenfähren immer mehr wurden – wurde es am Ankerplatz rollig und wir mussten runter vom Schiff zur Inselerkundung. Also rein ins Dinghi und rauf durch den Eukalyptuswald zum Leuchtturm. Ein wundervoller Familienspaziergang mit einer großen Menge von weiteren Touristen.

Nachmittags kamen weitere kleine Veränderungen. Wir setzen zum ersten Mal unser Mizzen Stay Sail, bzw. auf Deutsch: unser Besan Stag Segel. Ist nur bei Halbwind wirklich sinnvoll und es stand auch für 15min bis sich der Wind dachte „ich geh schlafen“ und wir in der Flaute feststeckten.

Doch bevor wir das Segel setzen musste der Anker noch hoch. Ronja stand am Steuer mit Julia nebendran und ich vorne beim Ankerkasten. Alles lief super, die Ankerkette lief wie geschmiert in den Ankerkasten. Und dann kam der kleine Moment der Unachtsamkeit, die Kette lief nicht mehr in den Ankerkasten sind bildete einen kleinen Kettenhaufen direkt an Deck. Und schon blockierte die Kette und die Winsch, der Anker war schon sichtbar, wir waren frei, der Ankerplatz jedoch voll mit anderen Schiffen… Und die Anker ging weder vor noch zurück.

Letztes Jahr im Sommerurlaub hier in Galizien wären wir beiden jetzt nah an der Panik gewesen. Denn hier in Galicien „lernten“ wir erst das Ankern mit unserem Schiff im Atlantik und bauten Vertrauen auf. Mit slippendem Anker, der Crew an Land und nicht funktionierende Elektrik beim Anker hochholen lernten wir schnell und viel.

Und jetzt stand ich vorne und nichts ging mehr. Also erstmal Handschuh holen und die Kette mittels Palstek gesichert. Jetzt hatte ich Ruhe nachzudenken und an den drei Kettengliedern, die sich verkantet hatten, rumzurütteln mit der inständigen Bitte, dass sie sich doch bitte bequemen wieder in den Ankerkasten zu flutschen. Kurz bevor sich der Gedanke „Ich hol jetzt den Eisenhammer“ in meinem Kopf manifestierte, lockerte sich das erste Kettenglied, dann das zweite und das Dritte folgte. Erleichtert legte ich die Kette wieder auf die Ankerwinch, löste den Palstek und das Manöver konnte fortgesetzt werden.

Julia hatte inzwischen von Ronja das Ruder übernommen und hielt die ganze Zeit das Boot stabil an Ort und Stelle. Der Anker kam also hoch, doch leider falsch rum, mit der Schaufel nach vorne. Da wir keinen Ankerswiffel haben, drehte er sich auch nicht von alleine. Also nochmal mit Manneskraft die Kette kurz gehoben, um 90°C gedreht und endlich war der Anker sicher oben und gesichert. Das Ganze ging ohne Schreien, völlig in Ruhe, Schritt für Schritt. Von außen waren es wahrscheinlich nur 3 Minuten. Für mich fühlte es sich wie eine Ewigkeit an.

Nach unserer kurzen Überfahrt mit MizzenStaySail und Flaute kamen wir in der Bucht von Barra an, wo wir uns mit anderen ARC Seglern und weiteren deutschen Familiencrews verabredet hatten. BigBubble und Morian kamen direkt nach uns an, etwas später kam Luna noch und Hetoki war schon da.

Wir fuhren eine Dinghirunde  und luden alle zum AfterGlow auf unsere LADY BLUE ein mit dem Motto BYOB – Bring your own Beer. In unserer Runde holten wir auch noch die Pakete ab, die BigBubble für uns in der Marina Combarro eingesammelt hatte. Da war es wieder – das leidige Thema mit den Paketen…

Und so saßen abends die Crews von fünf Schiffen bei uns auf der Lady Blue. Alle kamen mit dem Dinghi und wir saßen bei ruhigem Wasser, vor einer Traumbucht und hatten einen wundervollen gemeinsamen Abend. Gegen halb elf fuhren alle in der Dunkelheit wieder mit dem Dinghi zu ihren Schiffen zurück. Eine schöne Gemeinschaft mit einem deutsch-englischen Sprachenmix. Offene Menschen, tolle Gespräche – ein kleiner Vorgeschmack auf die Gemeinschaft der Sailing Families und der Boatkids.

Johanna von der Hetoki hatte am Nachmittag noch Englischunterricht bei ihrer Mutter und abends saß sie mit Alegra und Athina aus England beim Uno spielen auf unserem Vorschiff. Das ist doch eine echte Motivation.

Als alle wieder auf ihren Schiffen waren und meine Mädels auch im Tiefschlaf lag ich noch lange wach und dachte über die Veränderungen nach. Es war ein schöner Tag und Schritt für Schritt kommen wir im Reisen an.

 

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