Motorboot fahren in Hollands Kanälen

Lady Blue kam am Sonntag, den 3. Juli in Rotterdam an. Zwei Tage später war der Frachter „Sparnegraacht“ abladebereit und Julia und ich machten uns auf den Weg sie zu holen. Sieben Wochen mussten wir auf sie warten – geplant waren 3 Wochen ☹. Doch jetzt waren wir wieder vereint und vor uns lag das Erkunden der holländischen Kanäle.

Ein ganz anderes Bootsleben: kaum Segeln, viel Motoren, Schleusen, Brückenöffnungszeiten, enge Stellen, kein ständiger Nordostwind, kein Wind über 20 Knoten, Wassertiefen zwischen 2-5m und was die Kinder liebten: keine Welle.

Von Rotterdam ging es über Gouda, Leiden, Amsterdam nach Hoorn im Markermeer. Und dann weiter über das Naturschutzgebiet Marker Wadden, durch die Schleuse bei Enkhuizen bis die Lady Blue schließlich in Stavoren ankam, wo sie auch jetzt noch liegt. Zwei Wochen waren unterwegs zusammen mit Harald & Elke, Julias Eltern.

Julia und ich waren sehr aufgeregt, mit leuchtender Sicherheitsweste im Rotterdamer Industriehafen durch die unzähligen Schiffscontainer zu laufen und zu Fuß den Frachter Sparnegraacht zu besteigen. Dort stand sie: unsere Lady. Optisch alles einwandfrei, auch innen sah alles super aus. Doch der erste Schock ließ nicht lange auf sich warten: der Batteriewächter piepste und stand bei unter 11 Volt. Unsere Bordbatterien waren entladen. Zusammen mit dem Loadmaster war das Problem jedoch schnell im Griff, Ladekabel an das 220V System des Frachters angeschlossen, Abladereihenfolge verändert und so hatten wir eine Stunde „Landstrom“ bevor auch bei uns das Abladen anstand. Es war ein schönes Gefühl, die lang ersehnte Wasserberührung und es wurde noch schöner als der Motor, so als ob nichts gewesen wäre, auf Anhieb ansprang und rund lief. Eine gute Stunde motorten wir durch den Industriehafen, wichen Frachtern aus, überholten und ließen uns überholen, bis wir unsere Töchter aufgeregt am Ufer winken sahen und in den Hafen Veerhaven einbogen. Mit einem gekonnten Rückwärts-ich nutzen den Radeffekt aus- Manöver legte Julia die Lady Blue längsseits an.

 Über Gouda, dem kleinsten Hafen unserer Reise inklusiv kleinster Tellerwende, ging es weiter in den Kanälen nach Leiden. Im kleinen Stadthafen versuchten wir zuallererst die uns zugewiesene Box anzusteuern und mussten uns jedoch nach zwei mißglückten Manövern der Realität geschlagen geben und nahmen die angebotene „gehen Sie hier längsseits“ Alternative gerne an. Auch hier habe ich bei dem Manöver einen Puls über 100 gehabt, da wir auch noch vorne und hinten wartenden Motorbarkassen hatten und doch ist es ganz anders als vor der Reise. Vor der Reise wären wir wahrscheinlich mit unserer betagten Lady diesen kleinen Stadthafen nie angefahren. Er wäre von vornherein als „nicht manövrierbar“ durchgefallen. Inzwischen ist das Selbstvertrauen gewachsen es zumindest zu versuchen und das Ego ist auf Normalmaß gesunken, dass es auch in Ordnung ist, es nicht zu schaffen und die einfache Lösung zu akzeptieren.

In dem kleinen schnuckeligen Städtchen Leiden verbrachten wir zwei Tage und genossen die Stadt mit ihren familientauglichen Museen. Wirklich eine Reise wert.

Weiter ging es mit der ersten Brückenöffnung um 9 Uhr Richtung Amsterdam. Keiner von uns vier war je auf der StandeMast Route durch Amsterdam gefahren. Zwar viel in Holland gesegelt, aber die Strecke noch nie. So kamen wir nichtsahnend Brücke für Brücke der Metropole Amsterdam immer näher. Wir machten es so wie immer: Kaum sahen wir eine Brücke, funkten wir den Brückenmeister auf dem entsprechende VHF Kanal an und fragten höflich nach, wann die nächste Öffnung sei. Die Antworten lauteten so gut wie immer: in den nächsten 10 Minuten. Das ging jetzt schon die ganze Woche so. Und somit dachten wir auch, dass das jetzt so weitergeht.

Falsch gedacht 😊 Gegen Mittag erreichten wir die erste Autobahnbrücke. Und auf unser höfliches Nachfragen bekamen wir als Antwort: 19 Uhr. Huch… was war denn das? Sollten wir jetzt sechs Stunden an einem Wartedalben ohne Dorf, ohne Café, ohne Fußweg warten? Offenbar schon. Nachdem der erste Schock verklungen war, war es ja irgendwie schon logisch, dass eine Autobahnbrücke nicht sofort für unsere Lady Blue aufmacht. Obwohl… schön wärs schon 😊

Wir vertrieben uns die Zeit mit der Fehleranalyse unserer automatischen Bilgepumpe. Bei soviel Zeit war irgendwie auch klar, dass der Fehler gefunden wurde: ein defekter Impeller. Und so wie er aussah wurde er in den letzten Jahren noch nie getauscht. Naja, so waren wir um eine Erkenntnis reicher, vor den Brücken von Amsterdam.

19 Uhr kam – die Brücke ging auf – und wir fuhren durch. Zusammen mit einigen weiteren Segelbooten. Doch nach einer halben Stunde kamen wir an der nächsten großen Brücke an: noch eine Autobahnbrücke und parallel dazu die viergleisige Zughauptstrecke. Wir fragten die anderen Wartelieger, wann es denn weitergeht. Die Antwort holländisch flexibel: Irgendwann um Mitternacht. Dass war doch etwas zu unkonkret für mich. Überfordert mit der Frage an mich selbst, wann ich denn dann den Wecker stellen soll, griff ich zur bewährten Methode und funkte auch hier den Brückenmeister an. Und siehe da: 00:05 Uhr war die Antwort. Mitten in der Nacht! Darauf waren wir nicht vorbereitet UND freuten uns gleichzeitig auf das Abenteuer nachts durch Amsterdam zu schippern.

Und es war ein Erlebnis. Unerwartet, einmalig und unvergesslich. Unsere kleine Flotille bestand aus sieben Booten. Wir wurden begleitet von zwei Brückenmeistern, einem Mann und einer jungen Frau, die abwechselnd vorfuhren und die Brücken in Amsterdam für uns öffneten. Der Wahnsinn. Als wir mittendrin waren im Stadtzentrum, in unserer Fahrt durch Amsterdam, auf dem Höhepunkt unserer nächtlichen Reise, so gegen 1.00 Uhr nachts, posteten wir ein Foto für unsere InstagramStory. Fünf Minuten später vibrierte mein Handy: Wo seid ihr genau? Wollt ihr auch in den Hafen Sixhaven? Ja genau, da wollten wir hin. SY Mayol, die wir zuletzt auf Barbuda gesehen hatten, waren auch dort und hatten just in diesem Moment unsere Story gelesen. Was für ein Zufall. Sixhaven war voll, doch wir bekamen klare Anweisungen von Ihnen, wo es noch ein Plätzchen für uns gab. Und so fuhren wir gegen zwei Uhr nachts in Sixhaven ein, geleitet von den beiden Taschenlampen von Ola und Bea. Sie nahmen auch unsere Leinen an. Was für ein Wiedersehen.

Am nächsten Tag gab es ein großes Wiedersehen im Hafen, denn auch SY Aurora mit ihren drei Jungs waren da. Beides sind schwedische Familienboote. Die Kinder spielten Fußball und tollten auf dem Hafenspielplatz rum während die Eltern die letzten Wochen Revue passieren ließen. SY Mayol und SY Aurora waren beide von der Karibik über die Azoren nach Europa zurückgesegelt. Wow. Mein tiefer Respekt für diese Segelleistung.

Auch hier war die Zeit begrenzt, denn Mittags ging es für die Schweden wieder weiter. Noch waren es ein paar Seemeilen zu segeln bis sie wieder zu Hause waren.

Wir blieben eine weitere volle Nacht und zeigten unseren Kindern noch Amsterdam und seine Kanäle.

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