Seetagebuch - Tag 17
Hier kommt ein Auszug aus meinem Seetagebuch von Tag 17 - dem Tag der Ankuft.
Tag 17, Sonntag, der 5. Dezember – Tag der Ankunft
Um 6.30 Uhr wurde ich wach. Sprang nach oben ins Cockpit. Stefan saß da mit seiner Kaffeetasse in der Hand, lächelter der Sonne entgegen. Die Sprayhood war schon heruntergeklappt. Ich sah mich um und sah:
LAND !
LAND in SICHT!
Die Silhouette von Grenada war klar erkennbar.
Je näher wir kamen, desto überraschter war ich. Grenada war richtig grün. Eine total grüne Insel im Morgendunst mit einzelnen Sonnenflecken. Ein wunderschöner Anblick.
Wir fuhren dicht unter Land, auf der einen Seite, da wir mit Stefan einen Local an Bord hatten, der genau wusste, wieviel Abstand wir zu welcher Untiefe halten mussten und natürlich auch, um mehr von dieser Insel zu sehen.
Ein kleiner Punkt auf dem Radar wurde sichtbar… der letzte kleine Babysquall war im Anmarsch. Ich wollte den Rest von Hand steuern, so dass wir den Autopilot ausschalteten. Und dann kam mein „Babysquall“. Der Regen peitschte von hinten ins Boot, der Wind ging auf 35 Knoten, Windstärke 8. Die Vorstufe von STURM. Unser Großssegel war ausgerefft oben, doch jetzt war keine Zeit mehr. Der Ruderdruck nahm schlagartig zu und wir krängten auf Raumschotkurs. Unter Groß und Besan machten wir das Beste draus: Ich am Ruder, Rüdiger aktiv an der Großschot, bereit sie aufzumachen, Stefan versuchte im Schiff alles dicht zu machen. Und dann ging das NaviTablett aufgrund des peitschenden Regens aus. Die warmen karibischen Regentropfen waren zuviel für das Touchdisplay und meine Navigation verabschiedete sich. Nun, hier war ich jetzt. Im Starkwind unter vollem Groß, dicht unter Land, vor einer Insel, die ich nicht kannte, mit Sicht unter 5 Meter und mit einer ausgefallenen Navigation. Am Tag 17 der Atlantiküberquerung. Oh Mann.
Stefan ließ alles stehen und liegen und übernahm die Navigation von unten, während er unser Tablett oben wegklickte, trocken machte und neue Kurse von unten zubrüllte. Ich hörte nur noch: ABFALLEN, ABFALLEN. Untiefe an Steuerbord. Alles rechtzeitig. Und wir sind dran vorbei. Jedoch war abfallen bei bereits 160° scheinbarem Windwinkel eine kleine Herausforderung mit dem Großbaum draußen. „Köpfe bleiben unten“, war die immer wiederholte Skippermahnung. Nach 10 Minuten war der Spuk vorbei, Wind ging auf 12-15 Knoten zurück, die Sonne kam raus, wir legten wieder Kurs und weiter ging die Fahrt. So als ob nichts gewesen wäre. Bis auf dass wir klatschnaß waren, komplett geduscht.
Um die Südwestspitze rum und die imaginäre Ziellinie kam in Sicht. Jetzt war der letzte Ehrgeiz geweckt die Ziellinie unter Segel zu passieren. Doch die nächste Herausforderung wartet auf uns. Der Wind war wenig, so ca. 8 Knoten kam jedoch aus Nordwest und wir mussten nach Nordwest. Oh nein, wir mussten mit der Lady Blue kreuzen, bei 8 Knoten Wind. Unsere LadyBlue ist ein total sicheres Schiff und kann mit allen Sorten von viel Wind sicher umgehen. Jedoch leichter Wind kann sie nicht gut und kreuzen kann sie erst recht nicht gut. Und jetzt beides gleichzeitig. So fuhren wir in den letzten zwei Stunden Segelmanöver, die man von einer Atlantiküberquerung gar nicht kennt: Hart am Wind. Genau dicht holen. Noch dichter. Und wir schafften ganz knapp 35° scheinbaren Windwinkel. Doch die Wende zeigte es. Denn die Kursänderung betrug 150°. Oh nein. Wir mussten parallel zur Ziellinie fahren. Wir kamen einfach nicht drüber. Frustrierende Minuten fuhren wir daran entlang um dann mit der letzten Wende und einem legendären Wendewinkel von 170° uns im Schneckentempo über die Ziellinie zu bewegen. Doch dann war es soweit: Um 9.27 Uhr Ortszeit, UTC-4, überquerten wir die Ziellinie. Die Atlantiküberquerung war geschafft. Segel runter, Motor an, Kurs auf den Hafen. Vor der Hafeneinfahrt tanzten vier Mädels am Strand und winkten ganz aufgeregt. MEINE Mädels.
Um 10.30 Uhr waren wir endlich fest am SuperYachtDock und hatten seit langer Zeit wieder festen Boden unter den Füßen. Obwohl dort nicht erlaubt kamen Lotta und Marla schon angerannt. Alle Schiffe mussten zuerst im Quarantänesteg anlegen, solange die lokale Health Authority uns noch nicht freigegeben hatte und „eigentlich“ war auch kein Besuch dort erlaubt. Aber Ausnahmen bei ankommenden Papas waren wohl doch erlaubt 😊 Marla flog mir in die Arme, dann Lotta, dann kam mein Jule ganz aufgelöst und zum Schluss auch noch Ronja. Die Eindrücke und Emotionen waren intensiv.
Wir bekamen unserer Health Clearance, doch das Umparken in die eigentliche Marina verzögerte sich, da der Hafenmeister gerade alle Händen mit anderen Schiffen zu tun hatte. So war zuerst Immigration Office dran. 1,5 Stunden warten, 20 Minuten Papierkram, dann waren wir und die Lady Blue offiziell einklariert.
Und wir hatten ein langes und entspanntes Mittagsessen zu siebt mit leckerem Salat. Frischer Salat. Genuss pur. Und kalter Eistee. Jamm, jamm.
Nach dem Mittagessen parkten wir um und während wir mit einem Knoten Fahrt durch die Marina schipperten, kam der letzte kleine 2 Minuten Squall und machten uns drei nochmal richtig nass. Nach einem super ruhigen Anlegemanöver, war Lady Blue fest. Die Mädels von Grenada Tourism Authority kamen und es gab die obligatorischen Grenada Geschenke und Rumpunsch mit Muskatnuß.
Fakten:
Zeit: 16 Tage, 0 Stunden, 59 Minuten (385 Stunden)
Strecke: 2243 Seemeilen
Durchschnitt: Etmal von 140 Seemeilen (pro 24h), Durchschnittsspeed von 5,83 Knoten
Platzierung: 9/18 nach Zeit und ?/18 nach Zeit, TCF & Motorstunden (wird noch bekanntgegeben)