Sailing Lady Blue

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Ostküste USA

Nach gefühlt unzähligen Stunden und Tagen des Hin- und Her, hatten wir die Entscheidung getroffen unsere LadyBlue für teures Geld nach Europa zu verschiffen. Irgendwie doof, könnte man doch auch segeln, aber man wird eben auch erfahrener, vorsichtiger, kennt sich und den Rest der Familie noch besser und da mag so manches vorher Geplantes eben nicht mehr passen.

Die Frage blieb aber, was wir denn in der Zeit ohne LadyBlue machen und wie wir fünf nach England kommen würden. Zwölf Tage sollte die LadyBlue auf einem Frachter benötigen von Antigua bis Southampton. Die Direktflüge nach London gab es, sie waren aber recht teuer. Wir liebäugelten mit einem Last-Minute -Ticket auf der AIDA, dem Traumschiff oder der QueenMary2—all inclusive, heiße Duschen, gemütliche Betten und dennoch der Blick aufs Wasser. (Dass ich mich traue, das hier zu schreiben, muss den 11 Monaten zu fünft auf 42 Fuß mit Mini Kühlschrank und ohne Innendusche geschuldet sein….so dass wohl eine gewisse Sehnsucht nach diesem „Luxus“ entstanden war). Interessant wie auf unserer Reise vorher gelebte Selbstverständlichkeiten zu Besonderheiten wurden z.B. mit ausreichend Wasser warm duschen.

Wie dem auch sei, Tickets gab es keine mehr. Allerdings fanden wir günstige Flüge nach New York. Ja, in der Tat die Flüge nach London über New York waren deutlich günstiger als die Direktflüge nach London. Und die Ostküste der USA zu bereisen war ursprünglich auch unser Wunsch für diese Reise- aber wir ihr wisst, war Antigua der nördlichste Punkt unserer Reise mit der LadyBlue.

Ökologisch gesehen sind genau diese billigen Flüge natürlich ein riesiges Problem, aber wir stellten für uns folgende finanzielle Milchmädchenrechnung auf: Wenn wir die Ostküste der USA nicht jetzt bereisen, werden wir es wann anders tun. In London/Southampton hätten wir noch 12-16 Tage eine Unterkunft bezahlen müssen, in New York jedoch konnten wir bei Christians Familie unterkommen. Wir stellten also fest, dass es für uns – vermutlich einmalig- die Gelegenheit gab, sagen zu können, dass es für unser günstiger war nach New York zu fliegen als nicht nach New York zu fliegen?!?

Wir sind also nach New York geflogen und haben mit unseren Mädels einen Ritt durch die amerikanische Geschichte hingelegt. Angefangen mit dem Besichtigen der Freiheitsstatute und Ellis Island stand zum Anfang vor allem die amerikanische Einwanderungsgeschichte im Vordergrund. Gebannt lauschten alle drei Mädels den deutschsprachigen Audiogeräten, die mit aufgezeichneten Interviews spannend gestaltet waren. Besonders aufregend fanden wir es die Treppen emporzusteigen, auf denen bis 1920 alle potentiellen Einwanderer auf Ellis Island  emporgestiegen waren- unter den Augen von Ärzten, die oben standen und versuchten Erkrankungen zu entdecken. Ansteckende Hauterkrankungen, Rheuma, Tuberkulose, sehr Geschwächte und Schwangere sollten erkannt werden. Wurde eine Krankheit vermutet, wurde der Kittel bereits auf der Treppe mit Kreide markiert und Folgeuntersuchungen standen an. Manche verbrachten Monate in dem Krankenhaus auf Ellis Island bevor sie einreisen durften. Gestorben wurde natürlich auch auf Ellis Island und 435 Babies geboren.  

So richtig greifbar und nah, wurde die Geschichte dadurch, dass wir mehrmals die hundertjährige Großtante von Christian besuchten, welche als junge Frau aus Österreich in die USA immigriert war und ihr restliches Leben in den USA gelebt hat um als Lehrerin Deutsch zu unterrichten.  Da muss man nicht mehr darüber reden, wie wichtig gute Sprachenkenntnisse sind.

Ansonsten war das große Thema in New York: reframing, denn die Eintrittspreise als fünfköpfige Familie hatten es in sich. Wir waren also nicht oben im One World Trade Center, aber immerhin haben wir uns den Spaß  erlaubt einmal einen Fuß ins One World Trade Center zu setzen. Einmal durch die Drehtür rein, ein Schritt rein und wieder mit der Drehtür nach draußen.

Ground Zero haben wir uns ausführlich angeschaut, betroffen über 9/11 gesprochen und es ist und bleibt erschreckend. Auch für die Kinder in keiner Weise nachvollziehbar. Von Krieg aus unterschiedlichen Gründen haben sie bereits gehört, aber warum fliegt man denn mit Absicht in Wolkenkratzertürme, in denen tausende Leute arbeiten??? Ich weiß es nicht, verstehe es auch nicht. Wie kann man das erklären?

Viel schöner war es natürlich von Manhattan nach Brooklyn über die Brooklyn Bridge zu spazieren, lecker japanisch zu essen, den Times Square bei Tag und bei Nacht zu erleben, die 21 Spielplätze im Central Park abzuklappern und natürlich den gigantischen m&m Store und auch den riesigen Lego Store zu besuchen.  Insgesamt waren wir bis auf die Eintrittspreise sehr positiv überrascht von New York, wirklich nicht überfüllt und eine sehr freundliche und friedvolle Stimmung.

Da wir nun an der Ostküste der USA waren, und bereits viel von amerikanischen Präsidenten gesprochen hatten, ging es weiter nach Washington D.C. Eine sehr familienfreundliche Stadt wie wir nun wissen. Wir benutzten einen öffentlichen 1 Dollar Bus als Hop-on Hop off und marschierten das US Capitol, die unterschiedlichen Memorials und Gedenkstätten vorangegangener Präsidenten und wichtiger Personen ab: Washington Monument, Martin Luther King Memorial, Abraham Lincoln Memorial, World War II Memorial um einige zu nennen.

Genauso beeindruckend wie die Gedenkstätten selbst, war es die Massen von jungen Menschen zu beobachten, die perfekt gestylt in tollen Abendkleidern die Memorials aufsuchten, um tolle Collegeabschlussfotos zu schießen.

 Da Freunde von uns mit ihrem Schiff Carolina bereits nach Boston gesegelt waren, ergriffen wir die Gelegenheit und fuhren nach Boston. Wir fahren an sich nicht so gerne Auto, aber nachdem wir jetzt so lange nicht Auto gefahren waren, erkannten wir schnell die Vorzüge.

Die Wiedersehensfreude war groß, hatten wir uns doch zuletzt auf Lanzarote und Gran Canaria gesehen. Geplant war das Treffen mit Jonas&Kirsten, Erik, Simon und Iris mehrfach, aber es kam eben immer was dazwischen, unsere Dezemberpause, unsere ohne-Motor-Zeit auf Martinique, deren straffer Zeitplan über Nordroute nach Norwegen zurückzusegeln, Corona bei uns, Corona bei denen….. Wie dem auch sei. Diesmal hatte es geklappt. Nach ausgiebigem Spielplatz erkunden und Pizza essen, besichtigten wir die USS Constitution, auch Old Ironsides genannt, eine Fregatte der US Navy. Sie ist das älteste noch seetüchtige Kriegsschiff. Das zweitälteste, welches noch im Dienst ist. Und die Besonderheit ist, dass es in der Geschichte nie besiegt worden war. Die heutige stolze Kapitänin erzählte uns, dass ihr eine Crew von 80 Personen dient. Um Auslaufen zu können, muss das Boot aber mehrere Wochen vorbereitet werden. Im Jahre 1812 war die Besatzung 400 Personen stark. Besonders beeindruckend war es zu sehen, wie unter Deck mit mehreren Männern gesteuert, die Ankerwinsch bedient und in Hängematten im Wechsel geschlafen wurde.

 Auch das Gelände der Harvard University, die älteste Universität Amerikas, gegründet von dem Theologen Johan Harvard 1636, haben wir uns angeschaut.

Auf der Suche nach Kaffee konnten wir feststellen, dass die Gebäude alle frei zugänglich sind. Das Mathematik Gebäude ähnelte sehr einem 70er Jahre Bau in Deutschland. Ansonsten sind es sehr schöne Gebäude aus rotem Backstein, umgeben von großen Bäumen und Wiesen und rotem Gemäuer. Da lässt es sich studieren! Wir dagegen saßen gemütlich auf der Bibliothekstreppe in der Sonne und deckten uns im Harvard Bookstore mit neuen Büchern ein.

Am Abend ging es mit drei im Auto schlafenden Kindern zurück.

Übrigens, zur Vorbereitung auf die Städte Boston und Washington D.C. haben wir und unsere Mädels die Filme „Natürlich blond“ und „Natürlich Blond 2“ geschaut. Die Filme an sich sind wohl eher keine Klassiker des Bildungsbürgertums und auch eher keine Schulfilme ?!? aber wir konnten sie hervorragend nutzen, um auf die Sehenswürdigkeiten/Besonderheiten der Städte/ des Landes Amerika hinzuweisen, die wir sehen würden, und über Strukturen (College, Bewerbung, Abstimmung im Capitol) zu sprechen.