Sailing Lady Blue

View Original

Festland

Festland - d.h. für uns festen Boden unter den Füßen, und auch Socken und Schuhe an den Füßen. Für Marla eine Schwierigkeit. Sie kann weder Socken noch Schuhe noch die lange Hose selbstständig anziehen. Das war mit T-Shirt, Short und Schlüpf Sandalen kein Problem. Aber die tägliche Wiederholung wird das „Problem“ von alleine lösen.

Wir kommen mit Meilenstiefeln wieder im Leben an Land an. Manches ist ganz wunderbar, wir rennen regelrecht durch die Supermarktgänge, beeindruckt von den Leckereien und Möglichkeiten alles wieder kaufen zu können. Schlemmen uns durch den Tag, es gibt Gerichte aus aller Welt und viel Eiscreme. In Fairfield, einem Vorort von New York wird in der Eismanufaktur Milkcraft jede bestellte Eiskugel frisch zubereitet. Das ist spannend, sind doch die Verkäufer sehr warm angezogen und können die Geräte nur mit Handschuhen bedienen, ansonsten würden sie festfrieren.

Wir sehen aber an einem Tag mehr Leute, als davor in einigen Wochen. Das ist zum Teil anstrengend, zum Teil sehr nett. Die Amerikaner sind sehr neugierig, in Smalltalk geübt, und wir offenbar sehr auffällig. Selbstständige braungebrannte deutsche Kinder, die vormittags beim Bäcker statt in der Schule sind, fallen auf. Und so erzählen wir die ein oder andere Episode unserer Reise über die Ladentheke hinweg. Meistens müssen wir erst mal bestätigen, dass die Erzählung der Kinder der Wahrheit entspricht und nicht eine erfundene Lügengeschichte ist.

Auch auf der Suche nach Marlas Medikamenten müssen wir etwas ausholen. Ihre Nussallergie hat sich im letzten Jahr um eine Hunde- und Katzenhaar, sowie Pollen- und Hausstauballergie erweitert. Warum das ausgerechnet, dann stattfindet wenn man in der hypoallergensten Umgebung ist (Hochgebirge, oder auf See) ist mir schleierhaft, aber sei´s drum, man muss ja nicht alles verstehen.  Also zurück in die amerikanische Apotheke; weshalb wir denn  Dauermedikamente und Notfallmedikamente benötigen ohne Notfall, und ohne Rezept. Das sei in USA nicht vorgesehen.

Gut. Sehr viele Medikamente sind in USA freiverkäuflich. Mit den Großpackungen Paracetamol kann man sich leicht in ein Leberversagen manövrieren, oder gar umbringen. Schmerzmittel gibt es en masse, was hoffentlich nur in Medikamenten induziertem Kopfschmerz (schlimm genug) endet und nicht in einer Sucht, aber einfaches uraltes reines Salbutamol gibt es nicht. Das Allerwelts-Asthmamittel in Deutschland, was bereits Säuglingen verabreicht werden kann (je nach Indikation), gibt es einfach nicht. Auch mein Arztausweis hilft nicht, fehlt doch die Nummer der amerikanischen Registrierung zum Eintragen auf dem Formular.

Und jetzt wird es noch absurder, es gibt das Salbutamol doch, aber nur in Kombination mit Cortison. Und dieses ist freiverkäuflich versteht sich. Hallo???? Warum ich denn das nicht nehmen würde, werde ich vom Pharmazeuten oder vielleicht auch eher Hilfsverkäufer gefragt. Hhm, meine Tochter ist 4 Jahre alt und benötigt kein inhalatives Cortison, sondern ein Bronchienerweiterndes Spray und wenn es nicht nötig ist, sollte man auf Cortison aufgrund der typischen Langzeitnebenwirkungen  verzichten …Ich stoße auf Unverständnis….hhm.

Nun gut, noch haben wir ausreichend reines Salbutamol, wir sind etwas großzügiger mit dem Antihistaminikum und etwas sparsamer mit dem Salbutamol, und so manövrieren wir uns durch die Zeit. Europa ist ja in Sicht.

Genauso schnell wie wir jetzt wieder mit den Menschenmassen mitrennen (z.B. in der U-Bahn in New York) im Vergleich zu unserem trägen slow motion Modus in der Karibik, verblasst auch unsere sonnengebräunte Haut.

Uns selbst war es gar nicht mehr aufgefallen, aber anfangs wurden wir häufig gefragt, wo wir denn im Urlaub waren? Hihi, gar nicht, und überall….und schon wieder landen wir im Smalltalk über unsere Reise. Die Amerikaner sind so herrlich begeisterungsfähig und nach dem Gespräch stolz auf sich selbst uns kennengelernt zu haben. So lustig und schön und ehrlich.

Zurück zur braungebrannten Haut;  diese ist trotz täglichem Auftragen von Lichtschutzfaktor 50  entstanden! Im Gesicht und für Marla gab es sogar Lichtschutzfaktor 100. Und im Wasser beim Schnorcheln waren wir mit UV T-Shirts oder Neoprenanzügen. Wahnsinn. Die Sonne. In der Karibik ist das tatsächlich ein Problem, denn alles was nicht irgendwie UV geschützt überzogen ist, löst sich auf: Segel, Biminis, Badeanzüge, Bikinis, PVC Dinghis…. Und der Sonnenbrand ist fies, bei konstantem Wind bemerkt man die Hitze nicht und verbrennt dann mit der Reflexion des Wassers erst recht.

Deswegen sind wir auch auf so vielen Fotos mit Sonnenbrille und Hut zu sehen. Ohne war es kaum möglich. Jetzt dagegen tragen wir eher mal einen Schal oder ein Stirnband beim Joggen, 16 Grad Außentemperatur, der Sommer kommt. Stimmt ja, es gibt ja Jahreszeiten. Hier fühlt sich das Leben gerade sehr frühlingshaft an. Das ist schön. Und komisch, denn wir kommen ja aus einem Jahr Sommer. Ein endloser Sommer für uns. Verrückte Welt.

Und die Tage sind wieder um so vieles länger. In der Karibik war doch zuverlässig um 18 Uhr die Dunkelheit gekommen, wobei wir beim nächsten Thema sind. Das Schlafen. Jahrelang war ich davon überzeugt, dass ich mit 7 Stunden Schlaf gut zu Recht komme. Ich bin ein guter Schläfer: d.h. ich  schlafe zügig ein, schlafe durch und wache morgens erholt auf. Wenn ich nachts aufstehen muss, bin ich für den Moment wach und schlafe dann wieder schnell ein. In den letzten 15 Jahren waren meine Nächte entweder durch Nachtdienste, Schwangerschaft, Stillzeit und/oder zu betreuende kleine Kinder sehr häufig unterbrochen. Und morgens war ich häufig müde, aber ich dachte halt, das ist eben so. An meinen 7h Stunden im Bett, was natürlich nie 7 Stunden Schlafen waren, habe ich festgehalten.

Ergänzend muss man wissen, dass der Nachtschlaf vor Anker am Anfang dem Schlaf einer Mutter neben ihrem Neugeborenen gleicht. Man hört jedes Geräusch, fühlt jede Bewegung und ist in einem gewissen Alarmmodus. Mit der Zeit aber, vertraut man dem Anker, und seinem inneren Gefühl, dass man Änderungen im Schiff, Windsteigerungen, Böen und so weiter schon mitbekommen wird. In Kombination mit der zwölfstündigen Dunkelheit hat dies dazu geführt, dass ich in der Karibik locker auf 11 Stunden Schlaf gekommen bin….?? Am Anfang dachte ich, oh, da war ich wohl erschöpft? Dann dachte ich, vielleicht habe ich in den letzten Jahren zu wenig geschlafen? Dann dachte ich, der Schlaf ist wohl sehr seicht…..egal, was ich dachte, ich schlief und schlief und schlief….sehr zur Belustigung meiner Familie, die mich doch als morgenaktiv kennt. Und abends d.h. so ab 20 Uhr war ich eben auch immer müde. Ich meine um 21 Uhr war es halt auch schon 3 Stunden dunkel?!? Keine Ahnung, vielleicht war es das permanente „draußen sein“, der Wind, die Dunkelheit….was auch immer, Fakt ist, dass ich auch hier, zurück auf dem Festland viel mehr schlafe. Obwohl die Schlafenszeit ja im Alter, und das Alter fängt doch ab 40 an,  abnehmen soll. So langsam komme ich also zu dem Entschluss, dass ich womöglich jahrelang mehr nach einer Theorie geschlafen habe, als nach meinem innersten Schlafbedürfnis. Eine interessante Erkenntnis mit 40, aber bekanntlich ist es ja nie zu spät etwas zu ändern. In diesem Sinne Gute Nacht!